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Corona – mittlerweile nur noch ein Unwort

Corona – ich kann es nicht mehr hören und will es auch nicht mehr hören. Ich, eine Mathematiklehrkraft eines Gymnasiums in Rheinlandpfalz, bin „coronamüde“. Wieso? Um das zu verstehen muss ich wohl etwas weiter ausholen.
2 Jahre lang hat mir dieses Virus – beziehungsweise eher die Maßnahmen – das Leben erschwert. Alles begann als ich an einer Förderschule als Klassenleitung tätig war. In meiner Klasse gab es nur 9 Schüler/-innen, aber diese hatten alle einen Förderbedarf. Auf ein plötzliches Homeschooling war weder die Schule noch die Angestellten vorbereitet. Ich war froh, dass meine Klasse nicht pflegebedürftig war. Doch dies hatte zur Folge, dass die Kinder sich schnell große Sorgen gemacht haben. Nie werde ich die Frage des leistungsstärksten Schülers vergessen – unter Tränen und schluchzend fragt er: „Schaffe ich es in die nächste Klasse?“ Zur Erläuterung, er hatte zu Hause keine Möglichkeit seine Ergebnisse hochzuladen und so an uns zu senden. Daher erfolgten die Leistungsnachweise telefonisch. Allein in diesem Absatz sind so vieeellleee falsche Maßnahmen – Homeschooling, weinende Kinder, offene Fragen und telefonische Leistungsnachweise.
Aber es ging bergauf. Ich wechselte zum nächsten Schuljahr an ein Gymnasium, an welchem ich immer noch tätig bin. Hier war vieles besser: wir haben direkt Luftreiniger bekommen, es gibt ein online Schulportal für eine geeignete Kommunikation im Lockdown. Doch die Ungewissheit und offene Fragen verfolgten uns immer noch. Wann müssen wir wann und vor allem wieso Abstand halten? Wie sollen wir das den Schüler/-innen erklären, wenn wir es selbst nicht verstehen beziehungsweise kein Verständnis dafür haben? Alles in allem könnte man 2021 folgendermaßen zusammenfassen: nervige und oft unverständliche Maßnahmen – sehr anstrengend – aber wir haben es geschafft mit viel Geduld und einer großen Portion Humor.
Jetzt ist es 2022. Und es ist soweit – ich bin „coronamüde“. Ich möchte nie wieder über Abstand, Masken, Impfung oder Corona sprechen. Traurig erinnere ich mich immer wieder an meinen letzten Wandertag mit den 11ern. Wir spielten ein Spiel mit der Frage: „Nenne 3 Dinge, die du mit der Schule verbindest“ Die meistgenannten Antworten der 52 beteiligten Schüler/-innen waren: Maske, Coronatest und Impfung. Dabei geben wir uns immer so viel Mühe spannenden Unterricht vorzubereiten und es gab 2021 auch endlich Schüler Ipads und tolle neue Smartboards. Aber eingeprägt hat sich das Thema Corona. Ich finde Corona hat uns genug soziale Kontakte, einzigartige Momente und Freunde genommen. So geht es tatsächlich den meisten – sowohl Lehrkräfte als auch Schülerschaft. Kaum einer trägt noch Maske, testen möchte sich auch noch kaum einer freiwillig. Wir freuen uns alle riesig auf kommende Sportfeste, Wandertage und nachgeholte Schulfeiern.
Wobei wir gleichzeitig immer noch dabei sind nicht nur liegengebliebene Themeninhalte nachzuarbeiten, sondern auch immer wieder vermehrt auf Mobbingvorfälle einzugehen. Das bedeutet für mich konkret – ich leite montags und mittwochs einen gut besuchten Mathematikförderkurs der Schule und habe pro Woche mindestens 1 Gespräch mit Klassenleitern oder Kollegen zu neuen Mobbingopfern. Der Förderkurs ist zwar voll und die Schüler/-innen haben auch alle einen Nachholbedarf, aber sie sind äußerst motiviert und wissbegierig. Daher macht das schon Spaß. Die Mobbingvorfälle hingegen sind schon sehr erschütternd. Daher ist es höchste Zeit Kinder, wieder Kinder seien zu lassen – ganz ohne Maßnahmen und Isolationen. Denn das haben sich unsere Schüler/-innen verdient. Sie streben so sehr nach sozialen Kontakten. Es ist erschreckend wie motiviert sie in Gruppenarbeit agieren. Doch das war kein leichter Weg. Es hat lange gedauert bis die Schüler verstanden haben: Ihr dürft gerne miteinander reden und beim Sportunterricht auch wieder Fangspiele spielen. Auch die Lehrer freuen sich endlich den langweiligen und monotonen Frontalunterricht Los Zusein. Viele berichten, dass der Moment der Aufhebung der Maskenpflicht sie sehr geprägt habe. Teilweise haben die Schüler ihre Maske in die Luft geworfen und befreiende Laut geschrien. Ich hoffe sehr, dass die Schüler die 2 Jahre gut aufholen können und die Zeit in Freiheit aktuell umso mehr genießen dürfen.
Leider habe ich aber auch schon von bekannten Schulen gehört, dass trotz Aufhebung der Maßnahmen viele Eltern immer noch auf die Masken – und Testpflicht bestehen. Hier fehlen mit tatsächlich die Worte. Haben ihre Kinder nicht schon genug gelitten unter den Maßnahmen. Wenn man als Elternteil Maske tragen möchte – bitte gerne. Aber lassen sie ihre Kinder selbst entscheiden. Schließlich ist es unser aller Ziel unsere Kinder zu mündigen Erwachsenen zu erziehen mit einer eigenen Meinung und ausreichend Selbstbewusstsein. An dieser Stelle ein weiteres kurzes einprägendes Erlebnis. Neben meiner Tätigkeit als Lehrkraft leite ich auch das Eltern- Kind- Turnen meines Sportvereins. Hier tanzen wir am Ende jeder Turnstunde. Eines unserer Lieblingslieder ist das Fliegerlied. An mehreren Stellen dieses Liedes nimmt man sich an die Hand und bildet einen großen Tanzkreis. Seit 2 Jahren machen wir nur kleine Familientanzkreise an dieser Stelle. Vor 3 Wochen dachte ich mir, wenn alle Erwachsenen wieder nach Malle fliegen dürfen und sich die Massen an den Bahnhöfen aufgrund des 9 Euro Tickets tummeln, dann darf ich doch endlich wieder einen großen Tanzkreis bilden. Leichter gesagt als getan. Ich musste das Lied 3 mal neustarten. Teilweise waren die Kinder zu schüchtern, sogar ängstlich, manche sind weggelaufen, andere fingen an zu weinen. Aber ich wollte nicht aufgeben. Daher startete ich das Lied immer wieder neu und gab den Eltern einen kurzen Moment zu erklären, dass es ok ist, andere Kinder oder Eltern, mit denen gerade 2 Stunde gemeinsam geturnt wurde auch an die Hand zu nehmen. Seit dem ist das Fliegerlied Pflicht nach jeder Turneinheit geworden, da die Kids darum bitten.
Ich hoffe man kann erkennen, dass die Schule – inklusive aller Angestellten viel zu tun hat aktuell, aber auch bereit ist, diese Mehrarbeit zu leisten. Aber dann kam die Information über eventuellen Maßnahmen für den Herbst/ Winter. Als ich gelesen habe, dass die Maßnahmen eventuell wiederkommen, wollte ich am liebsten laut schreien. Wieder Masken-/ und Testplicht? Eventuell wieder Homeschooling? – Bloß nicht. Wieso müssen die Maßnahmen von denen getragen werden, die am wenigsten Probleme mit Covid – 19 haben? Ich kenne keinen Schüler, der noch Angst vor Corona hat. Das zeigt das Verhalten, wenn ein Schnelltest positiv ist – alle bleiben tiefenentspannt und umarmen noch schnell ihren Freund und verabreden sich zum gemeinsamen lernen am Nachmittag während dessen Isolation – und das war kein Einzelfall. Was will die Regierung mit der anhaltenden Angstmache erreichen? Also aktuell vermute ich kann und will keiner mehr etwas von Inzidenzen, Impfquoten oder Masken hören oder lesen. Einige Schüler tragen tatsächlich ja noch Maske und testen sich auch noch freiwillig. Hier denke ich mir – jeder wie er will/ immer noch kann. Also richte ich meine letzten Worte an die Politiker und Angstmacher da draußen – lasst uns und vor allem die Kinder in Ruhe. Sie haben genug geleistet in den letzten 2 Jahren, um Gefährdete oder Risikopatienten zu schützen.

Viele Grüße und bitte behalten sie alle ihre Lebensfreude

(Lehrkraft und Übungsleiterin)